Violett – die Extravagante

Mit ihrem Gatten, dem Herrn Schwarz, bildet sie das paire magique* der Farben. Die beiden umgeben sich gerne mit Geheimnissen und drohen mit dunklen Zauberkräften! Sie demonstrieren Einigkeit schon im Äußeren: Der Mantel des Magiers, oft in schwarz schimmerndem Lila, legt davon Zeugnis ab. Violett ist, verdunkelt oder getrübt, die Farbe des Aberglaubens und symbolisiert die unheimliche Seite der Fantasie. Es ist gut möglich, dass das auch der Grund ist, warum Violett von vielen Menschen als unheimlich, unsachlich und zweideutig empfunden wird. Nur ein einziges Prozent der Männer und auch nur fünf Prozent der Frauen mögen diese Farbe aus Rot und Blau. Man attestiert ihr keinen guten Charakter: Täuschung und Untreue, Eitelkeit und Extravaganz – nicht mehr als ein modischer Windstoß.
Zur Zeit des dekadenten Jugendstils um 1900 war Violett allerdings mehr als das. Es war seine Hochzeit! Endlich ging es darum, die Femme fatale zu geben. Und was könnte ihr besser stehen als das gewagte und auffällige Violett! Mischt man etwas Weiß dazu, erhält man Lila – die Fliederfarbe**. Lila musste sich lange Zeit gegen seinen altjüngferlichen Ruf wehren. Ältere Frauen, die noch zu haben waren, trugen nämlich vorzugsweise Lila. Wir können nur vermuten, dass daher auch die Redensart stammt: »Lila – der letzte Versuch!«

Selbst Goethe erkannte das Zweideutige derFarbe und er notierte in seiner Farblehre: »Dem Lila haftet etwas Lebhaftes – ohne Fröhlichkeit – an.« Als altmodisch und verträumt gelten auch die typisch violetten Düfte und Edelsteine wie Lavendel, Veilchen, Rosmarin und Amethyst. Sie werden als süßlich, aufdringlich und unerotisch empfunden. In Kombination mit den Farben Grau, Braun und Schwarz gehört Violett aber nicht nur zum Farbkreis der Alten und des Altmodischen. Es werden auch Rückzug, Introvertiertheit, das Verdorbene, sogar das Sündhafte, das Unmoralische, Sexbesessene bis hin zur Verruchtheit einer Femme fatale (s. o.) assoziiert. Viele bildliche Darstellungen von »Lebedamen« aus dem 19. Jahrhundert zeigen Frauen in violettschwarzen Kleidern und Korsagen.


Erst ein Jahrhundert später unterzog sich das Lila einem Imagewechsel und wurde zur Symbolfarbe der Schwulen und Lesben. Warum? Das hatte seinen Ursprung in der Farbsymbolik des 20. Jahrhunderts. Blau stand für das Männliche und Rot bzw. Rosa für das Weibliche. Dazwischen liegt das sogenannte dritte Geschlecht – die Homosexuellen. Und last but not least: Lila ist auch die Farbe der europäischen Frauenbewegung. Selbst die Plakate der ersten internationalen Frauentage stellten in der Gleichstellungsfarbe die Gleichstellungsfrage. Kennt ihr sie noch? Die lila Latzhosen eurer Mütter?
Übrigens: Obwohl Violett häufig in der Natur vorkommt, war es technisch lange Zeit nicht möglich, einen Farbstoff zum Färben von Textilien herzustellen. Im Jahre 1856 stellte William Henry Perkin (1838–1907) zufällig den ersten künstlichen Farbstoff Mauvein her – aus Steinkohleteer. Zwei Jahre später (1858) entdeckte der Berliner Chemiker August Wilhelm von Hofmann (1818–1892) den Farbstoff Fuchsin, benannt nach der rotblau blühenden Fuchsie. Seitdem geistern Violett und Lila immer mal wieder durch die Modemagazine, geben sich kurze Stelldicheins, werden gepriesen und wieder verteufelt. So wie es sich gehört für eine Farbe der »gemischten Gefühle«.
* Magisches Paar.
** Flieder heißt im Engl. »lilac« und im Frz. »lilas«.

PDF-Download des Artikels aus dem Handmade Kultur Magazin, Ausgabe 10/2012.

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