Schwarz – die elegant Traurige

 

Schwarz, du »ewiges Schweigen ohne Zukunft und Hoffnung«*, gehörst du überhaupt dazu? Viele sagen: nein. Aber diejenigen, die deine Macht kennen, die sagen: Ja, du bist eine Farbe! Den Regenbogenreigen darfst du zwar nicht mittanzen. Du musst draußen warten, bis alles einem traurigen Nichts weicht »wie nach dem Erlöschen der Sonne»*. Aber von Angesicht zu Angesicht darfst auch du zum Tanze bitten. Wenn du das »feurige Rot« aufforderst, glaubt man schnell, dass der Teufel höchstpersönlich den Tangotakt diktiert. Willst du es extravagant, verführst du das Violett. Eine Mischung aus euch ist Sünde pur.

Doch welche es auch sein mag: Wer sich mit dir einlässt, zahlt drauf. Denn du schluckst alles Licht und hinterlässt Leere, Unglück und Tod. Doch wer, tiefgründiges Schwarz, dichtete dir je so viele dunkle Stimmungen an? »Die Menschheit selbst«, würdest du wohl antworten: Denn Tod und Trauer sind ein schwarzes Paar und gehören seit jeher zum Leben dazu. Wer trauert, trägt Schwarz, weil Bunt Fröhlichkeit bedeutet, aber froh ist in solchen Momenten niemand.

Auch Urängste werden geweckt, wenn alles um uns herum »schwarz wie die Nacht« ist. Denn in der Dunkelheit lauern unbekannte Wesen und andere Gefahren: das Ende der Welt, die Hölle, eine Fabelwelt voller böser Geister, das Unergründliche, das Furchteinflößende und Geheimnisvolle – all das assoziieren wir mit Schwarz. Aber auch unsere eigene Seele kann hin und wieder »schwarz sehen«. Früher hieß es, Melancholiker hätten schwarzes Blut. Zweifler und Pessimisten malen ebenfalls alles »schwarz in schwarz«. Und auch der, der ohne Moral ist, hat ein »schwarzes Herz«. Wer lacht, wenn es eigentlich zum Heulen ist, der hat einen »schwarzen Humor«. Wahrhafte Neider gönnen den anderen noch nicht einmal das Schwarze unter den Fingernägeln. Und wer jemanden anschwärzt, redet schlecht über ihn.

Die Liste lässt sich beliebig fortführen: Schwarzarbeit, Schwarzgeldkasse, Schwarzhandel, Schwarzfahrer, Schwarze Magie, schwarze Listen und nicht zuletzt die schwarze Katze, die nichts Gutes verheißt. Doch was ist mit der magischen Anziehungskraft, die man dieser Dunkelheit nachsagt? Trifft sie bei manchen von uns auch ab und zu mal ins Schwarze?
Aber klar doch! Zum Beispiel bei fast allen Erotikspielchen. Ob SM oder Gogo Strip, Schwarz macht scharf! Auch das kleine Schwarze dürfte darunter fallen. Es wirkt nicht nur verführerisch, weil es kurz ist, sondern weil es schwarz ist – und das wirkt elegant und geheimnisvoll! Bis ins 19. Jahrhundert hinein wurde sogar in Schwarz geheiratet.


Auch Politiker, Geschäftsmänner und Geistliche sind der Farbe verfallen, denn sie symbolisiert Macht, Überlegenheit, Seriosität und Exklusivität. Aber nicht nur Anzüge, Talare und Autos wirken in Schwarz. In Deutschland steht Schwarz auch als Synonym für die konservativen Parteien oder eine entsprechende Lebensanschauung. Wer schwarz wählt, wählt konservativ. Schwarz kann aber auch genau das Gegenteil meinen, denn es steht auch für den sogenannten schwarzen Block, die Anarchisten, Rebellen und diverse linke Splittergruppierungen. Sie kleiden sich uniform, damit sie als Masse bedrohlich wirken und im Gleichschritt unerkannt bleiben. Die »Schwarze Szene« dagegen schlägt wieder den Bogen zu Trauer und Tod. Sie trägt mit Kleidung, Styling und Musikgeschmack (Death Metal, Gothic) der Gesellschaft Hoffnungslosigkeit, Leere und Ernsthaftigkeit vor.

Es gibt viele Möglichkeiten Schwarz zu färben. Früher färbte man besonders billig mit dem »Armenschwarz«, das aus Erlenrinde hergestellt wurde. Die Rinde wurde zerkleinert, ein paar Tage eingeweicht und einige Stunden gekocht. Dann wurde die Rinde abgeseiht und übrig blieb ein Färbesud, der Wolle Schwarz färben konnte. Intensives Schwarz erhielt man von Galläpfeln. Gallwespen legen in sie ihre Eier und stechen sie unter Eichenblätter. Die Galläpfel wurden abgekratzt, getrocknet und pulverisiert – das war das Farbpulver. Auch »Blauholz«, das mit der Entdeckung Amerikas bekannt wurde, färbt ein tiefes nobles Schwarz.

Übrigens: Gäbe es all die gruseligen und traurigen Mythen über Schwarz nicht, würden sich viel mehr Menschen zu dieser düsteren Farbe bekennen. Denn in Wirklichkeit sind wir alle schwärzer als wir vorgeben. Schwarz ist die beliebteste Farbe der Modebranche. Die Vorliebe für Schwarz ist seit Jahren Mainstream, besonders bei den Kreativen. Und diejenigen, die sich offen zu ihr bekennen, sind Menschen, die selbstbewusst genug sind, zuzugeben, wie durchschnittlich sie sind.

PDF-Download des Artikels aus dem Handmade Kultur Magazin, Ausgabe 02/2013.

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