Gelb, die Zwiespältige, ist oft schlecht gelaunt. Steht sie morgens auf, stellt sie sich stets die eine Frage: Will ich heute Gold sein oder Gefahrengut, Sonne oder Stigma, Weisheit oder Wehe? Ihren Betrachtern bleibt das nicht verborgen, und so wundert es nicht, dass nur wenige Menschen sie wirklich mögen …
Die fünf Prozent, die sich aber zu ihr bekennen, loben ihre Ähnlichkeit mit der Sonne. Auch etwas Leichtes, Lebensfreude und strotzende Energie sprechen sie ihr zu. Und wer viel weiß, der hält ihr noch eins zugute: Im Islam ist das goldene Gelb die Farbe der Weisheit und bei uns ist der klug, den wir »helle« nennen. In Asien war Gelb dem Kaiser vorbehalten, denn es galt als Glücksbringer. Wer sich fragt, warum, muss nur nach China reisen, wo die Winde das Land ständig mit dem fruchtbaren gelben Lössstaub der Wüste Gobi überziehen.
Warmes Gelb ist aber auch die Farbe der Reife. Zum Erntedankfest schmücken wir die Altäre mit goldenen Ähren und Früchten. Menschen, die lange, glücklich verheiratet sind, feiern ihre Goldene Hochzeit. Gelb ist auch die Farbe von Dionysos, dem Gott des Weines, der Fruchtbarkeit und der reifen Liebe. Aber wie kam es dann, dass Gelb, die Sonnenfarbe, zur Farbe der Geächteten wurde?
Bereits im 12. Jh. erklärten die Christen Gelb zur Farbe der Juden. Sie setzten den Juden gelbe spitze Hüte auf oder verordneten ihnen, gelbe Stoffscheiben auf ihre Kleidung zu nähen. Das Stigma reichte bis ins letzte Jh. mit dem uns allen bekannten gelben Davidstern. Eine Hamburger Kleiderordnung aus dem 15. Jh. schrieb Prostituierten vor, gelbe Kopftücher zu tragen. In anderen Städten erkannte man die Huren an ihren gelben Bändern und Schleifen. Ketzern wurde bei der Hinrichtung ein gelbes Kreuz umgehängt und wo Geächtete wohnten, strich man die Türen gelb.
Gelb ist aber auch Warnung. Internationale Zeichen, die auf giftige, radioaktive, ätzende oder brennbare Stoffen hinweisen, sind in Gelb-Schwarz gehalten. Eine gelbe Flagge auf dem Schiff bedeutet »Achtung, Seuchengefahr«, im Flaggenalphabet steht Gelb für »Quarantäne« und in der mittelalterlichen Stadt wurde die gelbe Fahne gehisst, wenn die Pest ausgebrochen war.
Das wertvolle Gelb wird seit Urzeiten aus den roten Stempelfäden der krokusähnlichen Safranblüte gewonnen. Sie blüht nur drei Tage und wird im Iran und in den Mittelmeerländern angebaut. Um ein Kilogramm Safran zu gewinnen, benötigt man etwa 80.000 bis 150.000 Blüten. Die Ernte ist reine Handarbeit und ein Pflücker schafft nur wenige Gramm am Tag. Safran ist deshalb sehr teuer, für ein Gramm zahlt man bis zu 14 Euro. Gelb zählt mit Rot und Blau zu den Primärfarben.
PDF-Download des Artikels aus dem Handmade Kultur Magazin, Ausgabe 06/2012.