Blau, du treue Sehnsuchtsvolle

Die meisten lieben es: das Blau. An schönen Tagen begrüsst es uns, an allen versinkt in ihm das Leben in die Nacht. Wenn wir uns sammeln wollen, blicken wir oft in seinen Schimmer. Der blaue Horizont lehrt uns, dass Ferne keinen Anfang und kein Ende hat, jedoch vermag er, alles zu verwischen! Aber nicht nur die Sehnsucht wird vom Blau entfacht, sondern auch eisige Kälte. Die Impressionisten malten Schatten oft bläulich, auch Schnee und Eis schienen blau – wie die frierende Haut. Daher steht Blau auch oft für Gefühlsarmut, Stolz und Härte.

Viele Menschen sprechen die blaue Sprache. Sie sagen, sie fahren ins Blaue und meinen damit das unbekannte Ferne. Sie reden ins Blaue und meinen damit das angedachte Vage. Oder sie schießen ins Blaue und treffen damit manchmal ins Schwarze. Manche von ihnen aber lügen das Blaue vom Himmel herunter und erleben ungewollt ihr blaues Wunder. Veilchen, Männertreu und Vergissmeinnicht – allesamt blau – versprechen seit Urzeiten blumige Treue. Eine Wegwarte zum Beispiel galt als Jungfrau, die so lange auf ihren Liebsten wartete, bis sie blau erblühte. Verlobte tauschten früher Ringe mit einem blauen Saphirund die Hochzeitssträuße in England sind heute noch voller blauer Blüten.

Blau, das ist die Farbe der Treue. Aber auch die Arbeit steht auf Blau. Der Dienstbote bedient den Lift in Blau, die Marine hisst in Blau, der Feuerwehrmann löscht in Blau, der Schaffner, der Wachmann, der Flugkapitän … alles Blaumänner! Wer uns davon am liebsten ist? Der Cowboy natürlich, in seiner Bluejeans, die wir uns manchmal auch ausleihen.

Das Blau, auch Indigo genannt, konnte überall auf der Welt aus verschiedenen Pflanzen gewonnen werden und war daher die Farbe der einfachen Leute. In Europa gewann man es aus der Waid-Pflanze. Karl der Große befahl im Mittelalter an allen Gutshöfen ihren Anbau. Es gab viele Städte, besonders in Thüringen, die ausschließlich vom Waid lebten. Der Ausdruck »Blaumachen« stammt übrigens auch daher: Die Färbergesellen, die sich während des wochenlangen Gärungsprozesses der Farblauge oft langweilten, vertrieben sich nicht selten die Zeit mit Wein und Bier. Wenn die Blase drückte, urinierten sie auf die Waid-Brühe. Der menschliche Urin ist seitdem feste Ingredienz des Färbesuds.

Übrigens: 1868 gelang es Adolf Baeyer, künstliches Indigo herzustellen. Für seine Entdeckung wurde der Chemiker und Nobelpreisträger in den erblichen Adelsstand erhoben. Blaues Blut wird jedoch ausschließlich »vererbt« und kann nicht verliehen werden.

PDF-Download des Artikels aus dem Handmade Kultur Magazin, Ausgabe 04/2012.

Illustration: Rita Luizink http://www.rita-luizink.de

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