Was meint Liebe, Frau Rüggeberg?

Unsere Kolumnistin Thordis Rüggeberg ist keine Romantikerin, soviel steht schon mal fest. Und dennoch ahnt sie, dass es zwischen Himmel und Erde so viel gibt, was Liebe sein könnte. Oder ist.

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Meine Freundin Loretta hat ein großes Herz, es schlägt bevorzugt für Männer, die sich „gerade nicht auf sie einlasssen können”. Ihr Aktueller verarbeitet seit Jahren eine schwierige Trennung, konnte sich aber neulich für ein paar Tage davon frei machen und sie zu einem zweisamen Wochenende in ein verschneites Chalet einladen. Als Loretta zurückkehrte, war sie verzaubert. „Und zum Abschied“, seufzt sie schwärmerisch am Telefon, „hat er die drei goldenen Worte gesprochen.”

Für mich gibt es nur eine Kombination von drei Wörtern, die mein Herz wärmt, und die lautet: „Zahlung wurde angewiesen”. Loretta bezeichnet mich daher als emotional verwahrlost.

In den Nokia-Handys war damals der Satz „ich liebe dich auch” als Antwortvorlage im SMS-Ordner vom Hersteller einprogrammiert, gleich nach „bin in einer Konferenz“ und „melde mich später“. Zwei Tasten drücken – ab dafür. Große Gefühle gehen anders.

Liebe ist ein mächtiges Wort für eine mächtige Verbundenheit, man sollte behutsam damit umgehen. Was genau es bedeutet, muss jeder für sich entscheiden. Wir genießen den Luxus, Liebe zur Grundlage unserer Zweierbeziehungen machen zu dürfen und frei zu wählen, das ist ein relativ neues Phänomen. Es ist noch gar nicht lange her, da wurde der Bund fürs Leben ausschließlich zwecks Versorgung geschlossen. Die, die bereits Geld hatten, führten Paare aus politischen Gründen oder gesellschaftlichen Überlegungen zusammen, um Königreiche zu vergrößern, Positionen zu stärken und Erbfolgen zu sichern. Zuneigung war nice to have, aber keinesfalls Voraussetzung.

Wir können zusammensein, mit wem wir wollen. Genau das macht es dann verflixterweise aber auch kompliziert; je mehr Freiheiten, desto mehr Möglichkeiten, desto mehr Entscheidungen müssen getroffen werden.

Die Medien verzapfen zum Thema Liebe genau soviel Blödsinn wie zur idealen Ernährung oder zur Traumfigur: es gibt nicht die eine Lösung für alle, und Makellosigkeit entsteht sowieso nur in der Retusche.

Lassen wir uns also nicht verrückt machen von pompösen Inszenierungen und publikumswirksamen Zweierglückauftritten. „Alles, was lange währt, ist leise“ – schreibt Joachim Ringelnatz. Und Kurt Tucholsky stellt fest: „Es wird nach einem Happy End/ im Film jewöhnlich abjeblendt“. Weil es danach eben nicht Rosen und Küsse bis in alle Ewigkeit gibt, sondern viel „vabrühte Milch un Langeweile“. Sonst wär´s ja gar nicht auszuhalten, auch Endorphine brauchen mal eine Pause.

Falls ihr gerade in Schlabberklamotten nebeneinander auf dem Sofa sitzt, genießt es. Das wohl berühmteste Liebespaar der Literatur, Romeo und Julia, hat sich nicht mal eine handvoll Stunden gesehen, dann waren leider beide tot. Die hätten sicher gerne noch das ein oder andere Wochenende einfach nur gemütlich miteinander auf der Couch verbracht.

Also knuffe ich den Mann neben mir, der gerade ein Muster aus Lakritz-Fischen auf dem Wohnzimmertisch arrangiert, in die Seite, verdrehe die Augen und sage: „Du bist so ein Spacken.“

Das gab´s bei Nokia nicht als Antwortvorlage, es heißt: „Es ist schön mit dir, ich möchte nicht ohne dich sein.“

Und das versteht er auch so.

TEXT & FOTO: Thordis Rüggeberg

 

 

 

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Ein Kommentar
  1. Gefällt mir sehr, was du hier schreibst. – Ich fürchte ja, Liebe ist so rar geworden, dass sie nicht mal mehr als Antwortvorlage im Handy vorkommt. Oder gilt „lyl“ oder ein Herz Emoji?

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