
Kennt ihr das? Das Ende eines Jahres beginnt immer gleich, und zwar mit einer Liste guter Vorsätze. Bei den meisten von uns steht auch immer das Gleiche drauf: „Ich werde ab sofort jeden Tag Sport machen!“ dicht gefolgt von „Ich werde nie wieder Zucker essen.“. Ach, und ein Vision Board, das muss auch noch sein. Schließlich will man ja visualisieren, wie man in diesem Jahr endlich der besten Version seines Selbst nahekommt. Also schnell ein paar Magazine durchblättern, ein paar glänzende Bilder rausschneiden – und schon hat man den ultimativen Plan zur Selbstverwirklichung.
Fitnesscenter und Wand-Pilates-Appanbieter kennen diesen magischen Zeitpunkt und nutzen ihn schamlos natürlich für ihr Marketing aus. Was sie auch wissen, die Begeisterung endet meistens schneller, als wir „Zuckerfrei“ sagen können. Doch da ist das Abo bereits abgeschlossen und der Ein-Jahres-Vertrag längst unterschrieben. Schon nach wenigen Tagen stellt sich nämlich heraus: Der tägliche Gang auf den Stepper ist nur dann ein realistisches Ziel, wenn man dabei nicht das Sofa und HBO-Serien ignorieren muss. Der Verzicht auf Zucker ist noch mal ein ganz besonderes Kaliber, selbst wenn er wie bei mir auf „nur noch dunkle Schokolade ab 70 %“ runtergedimmt wird.
Auf der Rückfahrt von einem Weihnachtsbesuch bei meiner Mutter hörte ich ein Hörbuch, so einen Lebensratgeber, wie es sie heute viele gibt. In diesem Hörbuch wurde auch Heidegger zitiert. Ja, der Heidegger! Er sprach vom „Um zu“, einer interessanten Idee, die sich mit der „instrumentalisierten Sicht des Handelns“ beschäftigt. Also, alles, was wir tun, tun wir mit einem bestimmten Zweck, um ein Ziel zu erreichen. „Ich gehe zum Sport, um schlanker zu werden.“ „Ich nehme diesen Job, um mehr Geld zu verdienen.“ Und – mein Favorit – „Ich verzichte auf Zucker, um meine Charakterstärke zu prüfen.“ (Das ist ein Scherz!)
Heidegger warnt uns aber davor, zu sehr auf diese „Um zu“-Mentalität zu setzen. Wenn wir unser Leben nur in dieser Art und Weise strukturieren – immer auf ein zukünftiges Ziel ausgerichtet – dann verpassen wir den eigentlichen Kern des Lebens. Denn das führt dazu, dass wir uns ständig durch eine endlose Kette von Aufgaben und Zielen treiben, ohne wirklich im Moment zu leben. Und das macht schließlich unglücklich.
Also, kann uns Heidegger tatsächlich dabei helfen, eine „Gute Vorsätze Liste“ zu erstellen, die nicht dazu führt, dass wir spätestens im Februar wieder auf der Couch landen? Überraschenderweise ja! Heideggers Philosophie bietet uns einen alternativen Blick auf unsere Vorsätze, die so aussehen könnten:
Meine guten Vorsätze für das Jahr 2025!
- Ich werde versuchen, den gegenwärtigen Moment bewusster zu erleben und meine Aufmerksamkeit weniger auf zukünftige Ziele zu richten. (In der Natur gelingt mir das am besten, also nehme ich mir vor, mehr Zeit draußen zu verbringen.)
- Ich werde weniger daran denken, „perfekt“ zu sein oder immer etwas „erreichen“ zu müssen. Stattdessen will ich darauf achten, was mir im Moment Freude und Zufriedenheit bringt. Ich erlaube mir, das Leben zu genießen, ohne es ständig mit Zielen und messbaren Erfolgen zu verknüpfen.
- Ich werde mehr Zeit mit den Menschen verbringen, die mir wichtig sind und mir guttun.
- Ich werde Selbstfürsorge praktizieren, aber nicht als Mittel zum Zweck (z. B. für den perfekten Körper), sondern einfach, weil es mir gut tut.
- Ich werde mein Leben entschleunigen, um die Schönheit des Moments und die Tiefe meiner Erfahrungen wahrzunehmen.
- Ich werde mehr kreative Tätigkeiten ausüben, ohne dass ich damit ein bestimmtes Ziel verfolge – einfach um des kreativen Ausdrucks willen.
- Ich werde lernen, mich selbst und meine Lebensumstände zu akzeptieren, ohne ständig nach einem „besseren“ Zustand zu streben. Heidegger erinnert uns daran, dass wir unser „Sein“ nicht ständig verbessern müssen, um es zu schätzen. Wenn wir uns selbst annehmen und im Hier und Jetzt leben, können wir viel tiefere Zufriedenheit finden.
Was hat das nun mit dem täglichen Sportpensum oder der Zuckerabstinenz zu tun? Eine Menge! Denn das, was wir als „Scheitern“ im Februar empfinden, wenn wir das Fitnessstudio schon wieder hinter uns gelassen haben, könnte tatsächlich ein Zurückfinden zu uns selbst sein. Intuitiv haben wir erkannt: Es geht nicht darum, uns selbst ein Ideal aufzuzwingen. Wir wollen authentisch sein. Und das heißt, dass wir uns auch mal etwas gönnen dürfen – die Sahnetorte mit allen Sinnen genießen, die Couch nicht nur als Gegner, sondern auch als Verbündeten sehen und Spaziergänge im Wald machen, bei denen wir die frische Luft und die Stille genießen. Wir nehmen uns Zeit für unsere Familie und Freunde, probieren neue Hobbys aus – und das alles einfach nur so.
Da spricht mir jemand aus der Seele, so praktiziere ich das schon seit letztem Jahr. Genieße den Moment!!
In diesem Sinne auf ein gutes neues 2025
Sehr gut geschrieben!
Vielen Dank, wünsche ein glückliches, gesundes, zufriedenes und kreatives 2025!
Oh ja, das stimmt! Ein Visionboard mache ich trotzdem, mit anders gearteten Vorsätzen um so wertvoller! Danke!
Toller Text! Vielen Dank!