Sehnsuchtsort Garten

Viele von uns Städtern sehnen sich nach einem Garten oder einem Fleckchen Erde zum Hegen und Pflegen. Der Rest muss sich nicht sehnen, denn der hat meistens das eine oder das andere. Doch was hat es auf sich mit dieser Sehnsucht? Ist das ein Mythos oder ist da wirklich etwas dran? Gehen wir diesem unbestimmten Gefühl etwas auf den Grund …

Blick von der Terrasse der Gartenlaube

Meine persönliche Gartenbiographie bringt es jetzt schon auf gut 40 Jahre. Denn ich hatte noch als Schulkind ein Beet im Schulgarten meines Heimatdorfes zu bearbeiten. Dazu kam der Garten meiner Eltern und als ich größer war, die zwei, drei Morgen Rübenacker, mit denen ich als Teenager ein paar Mark nebenher verdiente.

Dann gab es erst einmal eine lange Gartenpause, ungefähr bis ich 38 war. Danach hatte unsere kleine Familie ein Stelzenhäuschen zwischen See und Elbe angemietet, traumhaft gelegen, aber mit einem ebenso traumhaft großen Grundstück, dessen wir kaum Herr wurden. Unsere schlechte Perfomance sorgte dafür, dass es uns die Vermieter wieder entrissen. Wie gewonnen, so zerronnen. Tja, so ist das nun mal.

Das bin ich beim Teich säubern

Eigentlich dachte ich, das wäre das Ende meiner wieder belebten Gartenkarriere. Aber es sollte anders kommen. Meine Freundin Katharina schwärmte schon seit langem von ihrem Schrebergarten, mitten in der Stadt, den sie sich im übrigen mit einer zweiten Familie teilte. Zusammen brachten es die Schreber auf 11 Personen samt Kind und Kegel. Das nenne ich mal ´ne optimale Nutzung der Parzelle. Und natürlich ging auch die Gartenarbeit, Rasenmähen, Gemüsebeet bestellen, Laube streichen, Pergola bauen usw. durch mehrere helfende Hände. Das hat schon Vorteile.

Lange Rede, kurzer Sinn. Bei ihren Erzählungen regte sich erneut die Gärtnerin in mir, dieses Mal mit guten Argumenten: Ach Dörte, der ist jetzt gleich um die Ecke, da kommst du mit dem Fahrrad hin, die Kinder werden es lieben, du kannst Sommerfeste veranstalten und jeden deiner Geburtstage (Ende August) dort feiern. Mein Freund hat sich nach der Stelzenhauserfahrung gleich ausgeklinkt: „Ich bin draußen.“, so der Mann meiner Träume.

Meine Tochter fragte mich nach der ersten Besichtigung, ob wir hier (in die Laube) einziehen und ich dachte, ach, das ist schon mal ein guter Anfang. Also mietete ich den Garten an, auch ohne Mann, und versuchte mein Bestes. Beruflich war ich immer noch sehr eingespannt, sodass wenig Zeit für das Grün um ich herum war, aber die Eltern waren noch rüstig und kamen einmal im Frühjahr und einmal im Herbst zum Subotnik. (Dieses Wort kommt aus dem Russischen und heißt so viel wie freiwilliger und unentgeltlicher Arbeitseinsatz.) Die Schrebergartennachbarn hatten sie schon ins Herz geschlossen, man verstand sich gut und der Garten war wenigstens zweimal im Jahr tippitoppi. Aber als das bosnische Restaurant, fußläufig von der Parzelle zu erreichen, niederbrannte, kamen auch meine Eltern nicht mehr. Die Verpflegung während der Arbeitseinsätze hatte offensichtlich eine sehr große Rolle gespielt.

Pflanzen shoppen bei Rühlemann in Horstedt/Niedersachsen

Gut, nun war ich auf mich allein gestellt. Aber ein bisschen was habe ich mir ja abgeguckt. Einmal in der Woche Rasenmähen, das kleine Gemüsebeet muss im Sommer regelmäßig gegossen werden. Nicht zu vergessen das Ernten und Verarbeiten des Gemüses. Die Hecke muss beschnitten, das Schilf gekürzt, der Teich gereinigt, die Sträucher ausgedünnt, der Apfelbaum, die Buche, die Laube, das Spielhäuschen … ihr hört schon, viel zu viel Arbeit, um sich einfach in die Hollywoodschaukel zu lümmeln und dort den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen. Das war nicht drin. „Ich muss mal wieder in den Garten.“ wurde meine leitmotivische Wendung in diesen Jahren. Geplagt vom schlechten Gewissen, nie genug zu tun.

Aber Moment mal, meine Freundin Katharina hat’s mir doch vorgemacht. Ich hole einfach noch jemanden dazu, der auch Lust hat auf Grillfeste, Schaukelcoach und auf der Liege bruzzeln, den neuesten Thriller verschlingend. Die Arbeit, die so ein Garten macht, muss man ja nicht gleich über Maßen in der Vordergrund spielen.

Warum kann es nicht immer so schön sein?

Die erste, die mitmachen wollte, war Ella. Sie hatte zwar keine Ahnung von Gartenarbeit, aber ihre beiden Kinder würden sicherlich total ausflippen bei so viel Natur. Wie oft war Ella da? Dreimal?

Die nächsten, die das Experiment Garten antesteten, waren meine sehr netten Nachbarn von untendrunter. Pensioniert, Zeit ohne Ende, fit wie ein Turnschuh, verantwortungsbewusst, das sollte etwas werden. Ist es aber nicht. Die Gründe? Ich kenne sie nicht. Spätestens da kam mir der Verdacht, dass es vielleicht an mir liegt. Aber warum? Meine Credo war: Ihr könnt hier machen, was ihr wollt. Ich mische mich nicht ein. Was ist falsch daran?

Der Dritte war ein Arzt mit Burnout. Auch er blieb nur auf Durchreise. Nach diesen einschlägigen Erfahrungen entschloss ich mich, den Garten abzugeben. Andere hätten bestimmt mehr Verwendung dafür, er sollte nicht verkümmern, sondern wirklich eine Oase der Erholung für Menschen sein. Ich erzählte also meinem Freund davon, die Parzelle aufzugeben. Ich erwartete: ‚Siehste, ich hatte recht. Das schaffste nie.‘ Aber wenn man denkt, man kennt den anderen, hat man sich meist gehörig geirrt. Es rief sein Engagement auf den Plan: „Nein, auf keinen Fall aufgeben. So ein schöner Garten, dann nehm ich den.“

Das, liebe LeserInnen, ist der Stand der Dinge. Seitdem ist bereits ein ganzes Jahr vergangen. Garten ist noch da, verwaist, niemand kümmert sich. Es ist ein Trauerspiel. Mit Sehnsucht hat das nicht viel zu tun, höchstens mit unerfüllter …

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3 Kommentare
  1. Lieber mit einem Hochbeet anfangen und das im kleinen ordentlich hegen und pflegen, denn aller Anfang ist schwer. Dann kann ich auch mal lümmeln und Seele baumeln lassen. Alles muß aber auch nicht immer ganz perfekt sein.
    Ein unaufgeräumter Garten ist auch für Tiere wie bsw. Igel gut.

  2. Ernte im Garten, was ich nicht gepflanzt habe, wie Löwenzahnblätter und Bärlauch. Dazu Gänseblümchenblätter und Blüten als Salat.

  3. Es ist die Garten-Arbeit an sich, die man mögen muss. Lümmeln, faulenzen passiert leider sehr selten. Mit der Seele baumeln aber und denken was man will, das kann man auch während der Gartentätigkeit genießen. Alles was ringsum kriecht, krabbelt, fliegt, brummt und zwitschert ist ja auch pausenlos in action und Bewegung. Sehr anregend.

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