von Julia Lemburg
„Das Wesen der Pflanze” ist nicht nur der Titel dieser Skizzensammlung, vielmehr ist es das, was sich hinter den Skizzen erahnen lässt. Die Zeichnungen und Malereien lassen darauf schließen, was für eine meditative Erfahrung es für die Künstler gewesen sein muss, sich in so einer hingebungsvollen Weise auf die Natur einzulassen und sich für ein paar Stunden mit nichts anderem zu beschäftigen. Ist es nicht das, was uns in der heutigen Zeit manchmal fehlt? Wir stellen dir ein Buch vor, das deinen Alltag für ein paar Stunden entschleunigt und dich vielleicht sogar in der Weise inspiriert, mal wieder mit Stift und Papier rauszugehen und die Natur mit all ihren Facetten auf dich wirken zu lassen.
Vom Bedürfnis zu Dokumentieren
Bleistiftzeichnungen, Aquarelle und Drucke unterschiedlicher einheimischer und exotischer Pflanzen finden sich in den Skizzen der über 80 vorgestellten Maler, Zeichner und Naturwissenschaftler von dem 15. bis ins späte 20. Jahrhundert. Dabei werden sowohl Zeichnungen namhafter Künstler wie Leonardo da Vinci oder Albrecht Dürer gezeigt, als auch die von weniger bekannten Künstlern, deren Werke teilweise erst nach ihrem Tod veröffentlicht wurden.
In kurzen Beschreibungen wird das Leben der Künstler und ihre zum Teil abenteuerlichen Reisen auf die andere Seite des Globus beschrieben. Die Spanne der Pflanzen reicht somit von indischen Orchideen über westafrikanische Kletterpflanzen bis hin zum Ryokyou, dem chinesischen Ingwer. Die Motivation der Künstler ist vielseitig; einige zeichnen für sich selbst – zum Zeitvertreib oder als Erinnerung an das Gesehene, andere zeichnen im Auftrag oder für Forschungszwecke. Die Zeichnungen variieren sowohl vom Zeichenwerkzeug als auch von der Darstellungsweise. Während einige Skizzen in schwarz/weiß gehalten sind, strahlen andere in bunten Aquarellfarben, viel lebendiger, als die meisten Fotos der damaligen Zeit es hätten ausdrücken können. Und dort, wo manche Skizzen lediglich als Erinnerung dienen, haben andere, aufgrund ihrer detaillierten Darstellung, einen wertvollen naturwissenschaftlichen Beitrag geleistet.
Gemeinsam ist allen Skizzen eine besondere Stimmung, welche den Betrachter in eine Zeit zurückversetzt, als Fotografien noch eher unüblich waren. Beim Zeichnen von Pflanzen wird ein Zwischenraum geschaffen, zwischen den Regeln des Zeichnens und dem freien künstlerischen Ausdruck. Jeder Künstler hat etwas anderes im Blick und das ist es, was diese Skizzensammlung von den Pflanzenliebhabern Helen und William Bynum so vielseitig macht.
Helen & William Bynum: Das Wesen der Pflanze. Botanische Skizzenbücher aus sechs Jahrhunderten. 296 Seiten, Haupt Verlag 2018