Wir treffen die Schmuckdesignerin Janine Arnold in Ihrer Werkstatt in Hamburg und sprechen mit ihr über Bildungskredite, Ideenreichtum und die positive Energie von Liebespaaren.
Interview: Dörte Brilling, Fotos: Peter van Heesen
HK: Janine, was machst du da gerade?
Janine: Ich fädle gerade mein Schmirgelrädchen auf. Das hier sind meine Herzhälftenringe, die müssen noch poliert werden.
HK: Was unterscheidet dich von den Cartiers dieser Welt?
Janine: Meine Arbeit. Ich fertige meinen Schmuck selbst, hier in Hamburg, an meiner Werkbank. Jedes Stück geht durch meine Hände. Es sind Unikate oder limitierte Kleinserien. Bei den großen Schmuckproduzenten dagegen wird Schmuck in großer Stückzahl maschinell »produziert«; da wird nichts mehr in die Hand genommen. Hinzu kommt, dass bei meinem Schmuck nicht der materielle Wert, sondern Idee und Design im Vordergrund stehen.
HK: Träumst du von solchen Abverkaufszahlen?
Janine: Nein. Das würde mir die Freude an dem, was ich tue, nehmen. Ich brauche den händischen Bezug zu den Dingen. Auch der Kontakt zu den Leuten ist mir sehr wichtig; die kommen hierher, suchen sich etwas aus, das kriege ich total gerne mit.
HK: Fertigst du auch Schmuck auf Kundenwunsch?
Janine: Sehr selten. Ich entwerfe Stücke, wenn ich so arbeiten kann, wie ich möchte. Sonst nicht. Reparaturen mache ich gar nicht. Am Anfang, wenn man Geld braucht, ist man froh über jede Anfrage und investiert viel Zeit und Energie in die Wünsche anderer. Aber nach einer gewissen Zeit habe ich gemerkt, dass ich auf diese Weise nicht weiterkomme. Ich denke, wenn das passiert, sollte man sich lieber einen Nebenjob suchen, verkaufen oder kellnern, etwas, was dir das Überleben garantiert, aber du nicht Sachen machen musst, die du zwar kannst, aber nicht machen möchtest.
HK: Hast du nebenbei gejobbt?
Janine: Ja, ich habe vier Jahre im Verkauf gearbeitet. Das war eine Entscheidung, die ich getroffen habe, die, wie sich im Nachhinein herausstellt, richtig war.
HK: Inwiefern?
Janine: Jeder Designer hat einen eigenen Ansatz, sowohl inhaltlich als auch gestalterisch. Wenn du aber Sachen machst, die du null spannend findest, dann weicht der auf. Es mag sein, dass anfangs noch gutes Geld reinkommt, aber irgendwann ist die Energie für eigene Ideen verpufft. Dann die Dinge lieber klar trennen und nebenbei etwas ganz anderes machen. Danach konnte ich auch wieder an meine Werkbank gehen und meine Sachen machen.
HK: Wie gut, dass du das so klar gesehen hast!
Janine: Als ich mich 2009 selbstständig machte, habe ich mich coachen lassen. Einmal im Monat, ein halbes Jahr lang. Ich weiß, Coaching ist teuer, aber es lohnt sich. Es ist so wichtig, sich professionelle Hilfe zu holen. Freunde geben einem auch Tipps, aber man braucht keine »Tipps«. Meine Coachfrau hat damals zu mir gesagt: »Janine, bleib dir treu! Mach keine Reparaturen, wenn du keine Reparaturen machen möchtest. Schau lieber, was dir an deinem Handwerk noch Spaß machen könnte, vielleicht, um ein weiteres Standbein aufzumachen.« Es ist auch nicht schlimm, wenn man zwei, drei Jahre nebenbei jobben geht, ich würde das jetzt auch noch machen, wenn ich müsste. Du musst Spaß haben an der Arbeit, das ist das A und O, wenn du selbstständig bist. Sonst verbrennst du dich selbst. Guck, was dich weiterbringt und wo deine Stärken liegen!
HK: Hast du so eine Art zweites Standbein mit Spaßfaktor?
Janine: Ja. Die Kurse. Das Atelier hier habe ich schon seit zehn Jahren. Damals war das noch ein Schuppen ohne Wasser und Heizung. Aber ich habe es nie aufgegeben, sondern hier meine Werkstatt eingerichtet. Ich habe vor meinem Master noch ein Jahr in Pakistan als Dozentin für Schmuckdesign und Schmuckgeschichte gearbeitet. Es macht mir sehr viel Spaß, anderen etwas beizubringen. Als ich 2006 aus London zurückkam, war mein Geld alle, und ich musste mir etwas einfallen lassen. Ich habe Goldschmiedekurse an der VHS gegeben.
Dabei hatte ich wirklich Vorurteile, was Volkshochschulkurse betraf. Aber die haben sich schnell in Luft aufgelöst. Das hat mir so viel Spaß gemacht. Irgendwann dachte ich, ich habe die Werkstatt hier, dann baue ich doch gleich eine Werkbank mit fünf Plätzen anstatt mit einem und gebe selbst Kurse. Das war und ist neben meiner Tätigkeit als Schmuckdesignerin mein zweites Standbein. Ich mache das immer noch sehr gerne, und es läuft super! Mit den Trauringkursen sind wir bis Mai bereits ausgebucht.
HK: Wir?
Janine: Ja, mittlerweile habe ich zwei Mitarbeiterinnen, auch freie Künstlerinnen, Schmuckdesignerinnen wie ich … alleine würde ich das nicht mehr bewältigen, ich muss auch mal aus-fallen können, ohne, dass gleich alles zusammenbricht.
HK: Bei den Trauringkursen, kommen da Mann und Frau gemeinsam?
Janine: Genau. Das sind die Bonbons unter den Kursen. Mit verliebten Paaren zu arbeiten, wie toll ist das denn? Ich bin dann mit einem Paar alleine hier, und wir verbringen gemeinsam ein paar schöne Stunden an der Werkbank. Ich bin so begeistert!
HK: Du hast in Maastricht deinen Bachelor gemacht und bist sechs Jahr später für deinen Master ans Royal College nach London. Wie wichtig waren diese beiden Stationen für dich?
Janine: Sie haben mich und meine Arbeit entscheidend geprägt. Auch wenn ich nach meinem Bachelor noch lange nicht »fertig« war, hat auch die Zeit an der Kunstakademie meine inhaltliche Ausrichtung sehr beeinflusst. Man arbeitet dort zwar nicht marktorientiert, aber dafür frei: Ich konnte mich ausprobieren und experimentieren. Eine tolle Zeit! Umso härter war es, als ich 1998 wieder in Hamburg war. Ich bekam keine finanzielle Unterstützung mehr, mit dem Bachelor konnte ich in Deutschland nicht viel anfangen. Das Royal College war ein Traum, aber es war London, sehr teuer, und ich habe in der Tat noch sechs Jahre gebraucht, bis ich mich dort beworben hatte. Es war vor allem ein finanzielles Problem. Wenn du an diese Schule gehst, dann kannst du nicht nebenbei arbeiten. Du studierst dort – Vollzeit. Es ist absolut inspirierend. Eine Freundin von mir war bereits dort immatrikuliert, die hatte noch weniger Geld als ich. Da habe ich gedacht, wenn sie das schafft, dann schaffe ich das auch; sie war ein Vorbild!
HK: Und? Hast du es geschafft?
Janine: Ich wurde sofort genommen. Mit dem Stipendium konnte ich das Schulgeld bezahlen. Dann habe ich mir bei den Eltern meines Freundes Geld geliehen, außerdem habe ich einen Bildungskredit aufgenommen. Insgesamt 30.000 Euro. Ich habe keinen Tag bereut, es gemacht zu haben. Das war die Grund-lage meiner Selbstständigkeit.
HK: Zehrst du immer noch von dem, was du da gelernt hast?
Janine: Total. Die Kontakte, die du im Studium machst, sind so wichtig! Autodidakten mag es ja geben, aber für mich ist das heute noch ein ganz wichtiges Netzwerk. Ich habe mit ganz vielen Künstlern und Designern noch zu tun.
HK: Kam so auch der Kontakt zu den Galerien zustande?
Janine: Ja, einige davon.
HK: Wo auf der Welt kann man deinen Schmuck kaufen?
Janine: In Hongkong bei Silke Hammer. Sie bietet in ihrer Galerie nur Arbeiten europäischer Schmuckkünstler an. London ist gerade am Starten, außerdem Lissabon, Antwerpen und natürlich Hamburg, bei »Schmuckrausch« von Fatiha Iklef.
HK: Hast du einen Verkaufsschlager?
Janine: Ja, das sind ganz eindeutig die Candybirds. Das sind Ohrstecker oder Ringe aus hochwertigem Gold, mit oder ohne Brillanten, deren Flächen mit Nagellack bemalt werden.
HK: Immer wieder neu?
Janine: Wenn die Trägerin das möchte, ja. Man kann den Lack mit normalem Nagellackentferner und Q-Tipp entfernen und einen neuen auftragen, wenn man mal wieder eine andere Farbe haben möchte. Sehr einfach!
HK: Wie teuer ist so etwas bei dir?
Janine: Ein Candybird-Ring kostet zwischen 350 und 500 Euro. Also im Vergleich zu Cartier noch relativ günstig.
HK: Janine, wir danken dir sehr für dieses Gespräch.
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