Von der Wolle

Von der Wiese bis zum Versand: das GOTS-Zertifikat

Wollke Podcast

Nachhaltig gesponnen:
DAS GOTS-Zertifikat

Im Gespräch mit Britta Kremke, Unternehmerin und Pionierin in Sachen GOTS-Zertifizierungen von Garnen

Dörte von Wollke und Britta Kremke tauchen tief ein in die Welt der nachhaltigen Garnproduktion und beleuchten ein Thema, das für umweltbewusste Stricker*innen immer wichtiger wird: das GOTS-Zertifikat. Was bedeutet dieses Zertifikat konkret? Warum ist es so bedeutend für die Textilindustrie? Und welche Herausforderungen müssen Hersteller meistern, um die Standards zu erfüllen?

Liebe Britta, herzlich willkommen. Es ist schön, dass du heute bei uns bist. Bevor wir ins Thema einsteigen, erzähl uns doch bitte ein bisschen von dir. Wie bist zur Wolle gekommen und was hat dich dazu bewegt, dich so intensiv mit Nachhaltigkeit und Zertifizierungen wie GOTS zu beschäftigen?

Britta: Das ist eine lange Geschichte, aber ich mache es kurz. Meine Mutter eröffnete das erste Wollgeschäft in Hamburg, als ich sechs Jahre alt war. So bin ich mit Wolle aufgewachsen. Vor 17 Jahren habe ich dann ein Unternehmen gegründet – einen kleinen Onlineshop. Später kamen eigene Garnmarken hinzu. Nachhaltigkeit spielte dabei von Anfang an eine zentrale Rolle.

Wofür steht GOTS und was genau bedeutet es, wenn ein Garn GOTS-zertifiziert ist? Welche Anforderungen stehen dahinter?

Britta: GOTS ist eine Abkürzung. Sie steht für: Global Organic Textile Standard. Das ist ein weltweiter Standard, der alle Produktionsstufen umfasst, von der Wiese, wo das Schaf grast bis zu dem Warenlager, wo meine ehemaligen Kollegen die Wolle verpacken und an Kunden versenden.

Wie genau muss eine Wiese sein, damit sie den GOTS-Standards genügt?

Britta: Es wird unter anderem geprüft, ob die Weideflächen komplett pestizidfrei sind, ob die Schafe gut gehalten werden, ob sie Zugang zu frischem Wasser haben. Einmal im Jahr kommt ein Inspektor, der das alles checkt.
Natürlich betrifft das auch solche Verfahren wie zum Beispiel Mulesing, also die Praxis, den Schafen die Schwänze zu beschneiden, damit sich dort keine Parasiten ansiedeln können oder auch das Begasen von Schafen, um Parasiten zu töten. Solche Praktiken sind komplett verboten im Rahmen der GOTS-Standards. Jede Farm, die GOTS-Garne oder Rohmaterial liefern möchte, muss sich diesem Inspektionsprozess regelmäßig unterziehen.

Wenn ich das richtig verstehe, dann beinhaltet GOTS also auch so etwas wie Tierwohl.

Britta: Ganz genau. Das ist für mich auch der große Unterschied zu z. B. dem Ökotex-Siegel. Da wird lediglich geprüft, ob das Garn schadstoffbelastet ist, also die Faser, die mit der Haut in Berührung kommt. Bei GOTS werden noch ganz viele andere Aspekte geprüft.

Interessant. Wann ist denn dieses GOTS-Zertifikat eingeführt worden?

Britta: Das kann ich gar nicht so genau sagen. Vielleicht vor ca. zehn Jahren. Das liegt sicherlich auch daran, dass die Nachfrage seitens der Strickerinnen immer stärker wurde. Alle haben sich gefragt, warum das, was für Textilien längst normal war, nicht auch für Strickgarne gelten sollte?
Das Thema Tierwohl z. B., das rückt seit vielen, vielen Jahren immer mehr ins Bewusstsein der Konsumentinnen und Konsumenten. Für mich sind aber auch die Themen: fairer Handel, Mindestlohn, Verbot von Kinderarbeit, Verbot von Bestechung bis hin zur Arbeitssicherheit und Umweltschutz sehr wichtig. All das wird vom GOTS-Zertikfikat abgedeckt. Es geht also noch weit über das Ökotex-Siegel hinaus.
Nimm zum Beispiel Spinnereien. Da wird geguckt, wie ist das Abwassermanagement, welche Öle werden verwendet? Das gibt mir als ehemalige Markeninhaberin ein sehr gutes Gefühl, alles getan zu haben, um den Fußabdruck meiner Garne in der Welt so klein wie möglich zu halten und gleichzeitig so viel Glück wie möglich zu bescheren.

Glück?

Britta: Ja, weil Strickerinnen und Stricker einfach ein gutes Gefühl haben können, wenn sie diese Garne verstricken.

Wie ist das mit den Produktionsschritten, die du gar nicht beeinflussen kannst? Vieles davon findet ja nicht hier in Deutschland statt, sondern woanders. Wie kannst du als Markeninhaberin sicherstellen, dass diese Standards überall eingehalten werden?

Britta: Eigentlich ist es ganz einfach.  Alles ist sehr transparent. Wir haben z. B. nur mit bestimmten Spinnereien, Lieferanten und Färbereien zusammengearbeitet, die alle GOTS-zertifiziert sind. Jede Charge von GOTS-zertifizierten Garnen, die bei mir auf den Tisch kam, hatte Begleitdokumente; anhand dieser Begleitdokumente konnte ich sehen, ob diese Charge zertifiziert war und wenn ja, mit welcher Nummer und wenn ja, wie viele Kilo und in welcher Farbe.
Im Grunde prüft jeder, der Teil dieser Produktionskette ist, den Schritt vor ihm. Ich prüfe, ob mein Lieferant ein gültiges Zertifikat hat und die Garne, die er anliefert, ordentliche „Papiere“ haben, und der macht das ganz genauso. Wenn der die Rohwolle ankauft, dann prüft auch er die Begleitdokumente. So verlässt sich jeder auf den Vorgänger. Abgesehen davon gibt es noch zusätzliche Kontrollen, z. B. sendete ich einmal im Jahr stichprobenmäßig Fasern von GOTS-zertifizierten Garnen ins Labor, um sie auf Schadstoffe wie Blei oder auch auf Pestizide prüfen zu lassen.  

Wie lange braucht so etwas, bis man das durch hat? Ich meine von der Beantragung bis zu Zertifizierung?

Britta: Für uns als ehemalige Markeninhaber, die wir ja nicht gefärbt oder gesponnen haben, ist das alles machbar. Man kann sich einlesen, welche Standards verlangt werden, bekommt zwei, drei Monate Vorlaufzeit, um ggf. Dinge umzustellen und dann kommt die Inspektion und prüft alles in max. zwei Tagen.
Ganz anders sieht es in einer Spinnerei aus. Unsere Schwesterfirma in Peru, eine Spinnerei, die will sich jetzt zum ersten Mal zertifizieren lassen. Die arbeiten seit zwei Jahren daran. Ich kenne die Kollegen dort, ich weiß, wie es dort aussieht, wie sauber es dort ist, aber das ändert nichts daran, dass das alles nachgewiesen werden muss. Man muss damit rechnen, dass jeder einzelne Arbeitsvertrag geprüft wird, man schaut sich die Öle an, mit dem die Maschinen geölt werden usw. usf. Und wenn das alles geschafft ist, dann sind die Leute dort darauf angewiesen, dass die Rohwolle, die angeliefert wird, ebenfalls zertifiziert ist. Keine Spinnerei kann sagen, diesen Monat spinne ich normale Wolle und im nächsten Monat gibt es dann mal eine Charge GOTS-Wolle. Eins, zwei Jahre – das ist realistisch.

Wer stößt bei der Zertifizierung auf die größten Hindernisse, ist das sowohl für größere als auch für kleinere Unternehmen gleichermaßen machbar?

Britta: Für kleinere Spinnereien ist das nicht machbar. Du musst dir vorstellen, wenn du eine Charge konventionell erzeugte Rohwolle durch deine Maschinen schickst und du willst danach zertifizierte Wolle spinnen, das geht nicht. Die ganze Straße ist dann sozusagen kontaminiert. Die müsste dann erst einmal komplett gereinigt werden, das kann sich keiner leisten.

Welche Hürden gilt es noch zu nehmen?

Britta: Auch für kleine Farmen ist das nicht machbar. Stell dir einen peruanischen Farmer vor, irgendwo in den Anden, auf 5000 Meter Höhe, der Alpakas hält. Im Zweifel kann er nicht lesen und schreiben, kann also nicht stapelweise Antragspapiere ausfüllen: Und dann soll er seinen Alpakas hinterher laufen, ob die auch immer auf der richtigen Wiese grasen. Das ist quasi unmöglich. Alpakas leben ja in freier Wildbahn. Das geht also nicht.

Beobachtest du ein stärkeres Bewusstsein der StrickerInnen oder auch in der Branche in Bezug auf die Aspekte: Faitrade, Umweltschutz, Tierwohl usw. Steigt die Nachfrage nach GOTS-zertifizierten Garnen?

Britta: Ja, total.  Die Nachfrage kommt von den WollladenbesitzerInnen. Das sind vielleicht nicht die, die jetzt günstig die Discounterware mit Sockenwolle füllen, aber die vielen kleinen, feinen Handarbeitsgeschäfte in dieser Welt, die wollen das und deren Kunden wollen das und die sind auch bereit, einen Groschen mehr dafür auszugeben. Im Übrigen, der Preisunterschied zwischen zertifizierter und nicht zertifiziert Wolle ist gar nicht so groß ist.

Du würdest also sagen, wenn ich als Strickerin Wert auf eine gute Herkunft, nachhaltige Wolle usw. lege, dann genügt es völlig, auf das GOTS-Siegel zu achten. Damit bin ich immer auf der sicheren Seite, richtig?

Britta: Ja, davon bin ich absolut überzeugt. Für mich ist GOTS das absolut umfassendste Siegel, das alles abdeckt, was man irgendwie nur prüfen kann.

Wie siehst du die Zukunft der nachhaltigen Gartenproduktion? Gibt es da neue Materialien, Trends oder Technologien, die uns erwarten?

Britta: In der Tat, man ist schon wieder einen Schritt weiter, was die Zertifizierung angeht. Ich hatte ja schon angesprochen, wie schwierig es ist, zum Beispiel Alpaka-Rohwolle oder eben auch Mohair-Rohwolle nach zertifizieren zu lassen. Die Mohair-Wolle stammt von Ziegen, die in freier Wildbahn leben und nicht wie Schafe auf der Farm gehalten werden. Für solche Haltungsweisen gibt es jetzt auch Zertifikate, die das, was möglich ist, abprüfen – nah am GOTS-Standard. Dieses Siegel nennt sich RAF: Responsible Animal Fiber; das ist das Dach. RAS steht dann für Responsible Alpaka Standard, RMS für Responsible Mohair Standard und RWS für Responsible Wool Standard.

Liebe Britta, vielen Dank für das aufschlussreiche, sehr informative Gespräch und dass du dir die Zeit genommen hast.

Britta: Sehr, sehr gerne. Ich freue mich immer wieder, die Hörerinnen und Hörer aufzuklären, was das eigentlich bedeutet und was sie da für tolle Garne in der Hand halten, Iinsofern ist mir das sehr wichtig.

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Auf Wollke bekommst du eine Vielzahl an Qualitäten, die mit dem GOTS-Siegel versehen sind:

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